Achtsames Essen (1)
Seit einiger Zeit fällt mir auf, wie achtlos ich oft im Alltag esse. Geht es Dir auch so?
Manchmal ist es der Zeitmangel, aufgrund dessen ich nur mal eben etwas zwischendurch zu mir nehme. Oder es ist am Esstisch, wenn die einzige Zusammenkunft des Tages aller Familienmitglieder stattfindet, und dann halt dort alle Themen, auch die eher unerfreulichen, besprochen werden.
Das dies der Verdauung und Bekömmlichkeit des Essens nicht unbedingt zuträglich ist, liegt nahe. Wie schön ist es also, wenn wir uns wieder einmal mehr auf ein achtsames Essen besinnen können.
Ich habe im Urlaub diese positive Erfahrung gemacht. Ich saß alleine am Tisch. Möglicherweise hatte das Umfeld ein wenig Mitleid mit mir. Doch ich habe diese Situation ganz bewusst gewählt und sehr genossen. Vielleicht habe ich diese Zufriedenheit sogar ausgestrahlt.
Ich habe mein Essen am Buffet sehr bewusst ausgewählt. Ich habe es am Tisch mit allen Sinnen wahrgenommen und auf ein sorgsames Kauen geachtet. Ich habe hingespürt, wie es beim Schlucken hinabsank, und dann erst die nächste Gabel gefüllt. Ich habe die Sättigungssignale wahrgenommen und respektiert.
Vielleicht möchtest Du diese Erfahrung auch einmal machen. Dafür stelle ich Dir im ersten Teil zum Thema „achtsames Essen“ die Rosinenübung vor. Im zweiten Teil folgen weitere Tipps, wie Du Achtsamkeit beim Essen im Alltag praktizieren kannst.
Die Rosinenübung
Die Rosinenübung ist eine der bekanntesten Achtsamkeitsübungen überhaupt. Mit ihr lässt sich zum einen die Idee speziell des achtsamen Essens sehr gut vermitteln. Darüber hinaus werden aber auch grundlegende Aspekte der Achtsamkeit deutlich und erfahrbar.
Bekannt wurde diese Übung vor allem durch das MBSR* Programm (Mindfullness-Based-Stress-Reduction) von Jon Kabat-Zinn*, dem Mann, der maßgeblich daran beteiligt ist, Meditation und Achtsamkeit mehr und mehr in die westliche Welt zu bringen.
Vorbemerkung
Du magst keine Rosinen? Das kommt schon öfter einmal vor. Doch bitte bringe Dich deshalb nicht um die Erfahrung, um die es hier geht. Denn letztlich ist die Rosine doch nur symbolisch und damit austauschbar. Was kannst Du also Vergleichbares hernehmen, was Dich nicht gleich blockiert?
Der Ablauf der Rosinenübung
Nimm Dir eine Rosine und begib Dich an einen ruhigen Ort. Führe die Übung Schritt für Schritt durch. Akzeptiere dabei alle entstehenden Sinnesempfindungen, Gedanken und Gefühle, und gib ihnen ihren Raum. Sollte deine Aufmerksamkeit von der Rosine weg wandern, führe sie einfach freundlich wieder zu ihr zurück.
Sehen
Beginne mit dem Sehen. Nimm die Rosine einmal ganz bewusst wahr. Entdecke sie aus verschiedenen Blickwinkeln und verschiedenen Entfernungen. Stelle Dir vor, Du siehst eine Rosine zum ersten Mal. Nimm Dir Zeit und studiere sie hinsichtlich Farbe, Form, Oberfläche, Schattierungen, Glanz? Wie würdest Du diese Rosine jemandem anderen beschreiben?
Tasten
Nun ertastest Du die Rosine. Dafür schließt Du am besten die Augen. Wie liegt die Rosine auf Deiner Handfläche auf? Nimm die Rosine zwischen deine Finger und versuche zu beschreiben, wie sich die Rosine anfühlt. Einige Wörter, die dir dabei in den Sinn kommen könnten sind: rau, trocken, glatt, klebrig, dünn, prall, elastisch. Was ändert sich, wenn Du die Rosine drückst?
Sei neugierig, welche Wahrnehmungen Dir in den Sinn kommen.
Riechen
Beschnuppere die Rosine und sei wachsam für die Begriffe, die Dir durch den Kopf gehen. Gibt es Unterschiede zwischen den Empfindungen der beiden Nasenlöcher? Ändert sich die Intensität des Geruchs? Mögliche Adjektive könnten sein: Die Rosine riecht scharf, süß, fettig, ranzig, modrig, sauer.
Hören
Auch wenn Dir das zunächst seltsam vorkommen sollte, nimm die Rosine an dein Ohr und forsche nach Geräuschen, die sie möglicherweise macht. Kannst du überhaupt etwas hören? Oder vielleicht nur, wenn Du sie bewegst? Wie würdest Du die Töne beschreiben? Als Knistern, Knacken oder …? Ist der Ton laut, dumpf oder…? Höre auch mit dem anderen Ohr
Schmecken
Schließlich führst du die Rosine zum Mund. Dort ertastest Du sie zunächst noch einmal mit den Lippen. Fühlt sich das anders an, als wenn du die Rosine mit den Fingern berührst?
Lege die Rosine anschließend auf Deine Zunge. Erspüre das Gewicht und wie sich erste Geschmacksnuancen ausbreiten.
Bewege die Rosine mit der Zunge durch den Mund und nimm die Oberfläche wahr. Verändert sich die Konsistenz?
Beginne dann, die Rosine zu zerkauen. Kaue ausgiebig ohne dem möglichen Schluckreflex gleich nachzugeben. Bleibe offen und neugierig für alle Sinneswahrnehmungen. Registriere die entstehenden Empfindungen und Geschmacksnoten.
Bereite schließlich das Herunterschlucken bewusst vor, und beobachte den Vorgang genau. Spürst du die Bewegung beginnend an Zunge und Gaumen, hinten am Rachen, bis hinunter zum Magen? Verfolge die Rosine auf ihrem Weg.
Kehre dann mit Deiner Aufmerksamkeit noch einmal in den Mundraum zurück. Ist wirklich die ganze Rosine weg oder sind noch Reste im Mund? Spüre dem Geschmack, der noch im Mundraum verbleibt, nach.
Fazit
Die Rosinenübung macht uns das Essen wieder bewusst. Statt nebenbei etwas in uns hineinzustopfen, nehmen wir den Vorgang der Nahrungsaufnahme wieder deutlicher wahr.
Und auch, wenn wir jetzt natürlich nicht jede Mahlzeit auf diese Art und Weise zelebrieren können, so hilft uns die Übung vielleicht doch, die Mahlzeiten ruhiger anzugehen, zwischendurch einmal inne zu halten und der Nahrungsaufnahme nachzuspüren.
Ziel ist es, eine neugierige, fokussierte, nicht wertende Haltung zu praktizieren. Begegne dem Essen mit einem unvoreingenommenen Anfängergeist, sei ganz im Augenblick und beobachte, was passiert. Das sind die Prinzipien der Achtsamkeit, die in allen Lebensbereichen anwendbar sind.
Tu Dir gut!
immer.überall.jetzt.
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